Kritik zu ‘The Northman’: Ein fast perfektes Wikinger-Epos
In Hollywood gibt es derzeit einen Regisseur dessen Schaffen mit jedem Film besser wird und welcher ein immer größeres Publikum anzieht: Robert Eggers. Seine ersten beiden abendfüllenden Filme ‘The Witch’ und ‘The Lighthouse’ waren eher was für das Arthouse-Kino, konnten jedoch dank der Starbesetzung von Anya Taylor-Joy sowie Robert Pattinson viele Zuschauer ins Kino locken. Und nicht zuletzt dank der guten Kritiken.
Für sein neuestes Werk ‘The Northman’ bekommt Eggers ganze 90 Millionen Dollar Budget, welches man dem Film auch in jeder Szene ansieht. Der Amerikaner ist dafür bekannt, die Epochen, in denen seine Filme spielen, akribisch zu studieren. So traf er sich für sein Debüt ‘The Witch’ mit mehreren Professoren um das Leben auf einem Bauernhof im 17. Jahrhundert möglichst authentisch darzustellen. Auch in seinem Wikinger-Epos hält er sich nun weitestgehend akkurat an die Fakten, aufmerksame Historiker werden aber trotzdem etwas zu beanstanden finden.
Kompromisslose Wikinger-Geschichte
Schaut man sich die Poster von ‘The Northman’ an und bedenkt das Budget, könnte allzu verweichlichte Wikinger-Action befürchtet werden. In zeitgenössischer Hollywood-Manier, in der an jeder Ecke ein flapsiger Spruch lauert. Doch: Odin sei Dank, nein! Auf Humor oder gar Meta-Sprüche wurde hier verzichtet. Der Protagonist Amleth ist ein grimmiger Geselle und kein blonder Schönling. Auch wenn er im Vergleich zu seinen Wikinger-Kollegen noch der Ansehnlichste ist. So meuchelt er sich brutal durch Dörfer, hadert aber auch mit seinem Schicksal. Warum, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Diese Szenen, in denen Unschuldige aufs Härteste ermordet werden, sind äußerst unangenehm anzuschauen. Doch das Zeitalter der Nordmänner ist eben nicht für seine Zärtlichkeit bekannt, und ‘The Northman’ weiß dies zu zeigen.
Amleth wird gespielt von Alexander Skarsgård, sein Schauspieler-Vater Stellan ist besonders für die Verkörperung von Bösewichten bekannt. Alexander zeigt die vererbten Künste seines Papas aber nur bedingt. So präsentiert er die meiste Zeit nur einen Gesichtsausdruck. Alle anderen Schauspieler spielen sich gegenseitig an die Wand. Sei es Anya Taylor-Joy als verführerische Bäuerin oder Willem Dafoe als Hofnarr. Letzterer konnte schon als verrückter Matrose in Eggers ‘The Lighthouse’ glänzen, hat hier aber leider nur einen kurzen Auftritt. Besonders überraschend ist Nicole Kidman, sie bietet in einer Szene eine ihrer besten Performance ihrer Karriere ab.
Blutende Atmosphäre
Um ‘The Northman’ perfekt genießen zu können sollte man sich klar sein, dass hier Arthouse mit Mainstream vermischt wird. Die Gratwanderung meistert Eggers, indem er den richtigen Rhythmus einsetzt, um auf 137 Minuten zu unterhalten. Dabei hilft besonders die epochale Musik, die auf der größten Leinwand mit der dicksten Anlage besonders eindrucksvoll rüberkommt. Wenn Amleth und seine Wikinger-Gefährten sich durch Rituale in Rage schreien, pulsiert der Sound so sehr aufs Gehör, dass man erst nach der anschließenden Berserker-Kampfszene wieder aufatmen kann. Die langen Plansequenzen mit den atmosphärischen Kamerafahrten ziehen einen direkt ins Geschehen hinein.
Was ‘The Northman’ ein wenig die Segel streicht, ist seine Geradlinigkeit. Amleths Rachegeschichte ist die meiste Zeit vorhersehbar, auch wenn uns Eggers einen Twist spendiert. Dieser Dauerrausch mit seiner intensiven, akustischen Beschallung kann jeden ermüden, der den Film halbherzig auf einem mobilen Gerät schaut. Alle anderen die schon immer einen authentischen, sehr hypnotischen Wikinger-Film mit nordischer Mythologie sehen wollten, bekommen mit ‘The Northman’ das beste Erlebnis, welches das Kino derzeit zu bieten hat.
Quelle: METAL HAMMER.de