Kritik zu Judas Priest INVINCIBLE SHIELD
Es gibt nicht viel, das man den vorherigen beiden Judas Priest-Alben vorwerfen konnte. Wenn man wollte, dann zwei Kleinigkeiten: Dass sie mit je 13 Songs ein My zu lang gerieten. Und, dass sie zwar eindringlich die Metal-Mächtigkeit der Briten zur Schau stellen, dabei aber die beschwingte Heavy Rock- und Blues-Seele vor allem der früheren Tage ins Hintertreffen geraten lassen. Beides rückt INVINCIBLE SHIELD jetzt gerade! Das 19. Judas Priest-Album liefert die gewohnte und gewollte Verneigung vor dem Band-Schaffen, tut das aber so unbeschwert, dass es jederzeit frisch und kraftvoll klingt. Alle elf Songs haben (trotz Parallelen zu Bekanntem) ihre eigene Identität, Qualität und Daseinsberechtigung auf einem Album, das 52 Minuten lang liefert.
Der hektische Titel-Song schwitzt reinen Heavy Metal von PAINKILLER- und DEFENDERS-Prägung, so wie der erste Vorbote und nun Eröffnungs-Track ‘Panic Attack’ Feuer und Blitze speit, nicht ohne mit wabernden Synthies an knallbunte TURBO-Zeiten zu erinnern – und zugleich ein zeitgemäßes Thema („dieses Internet“ und was es mit uns macht) aufzugreifen. Dagegen betont das vergleichsweise gemächliche ‘Devil In Disguise’, wie wunderbar Judas Priest auch jenseits von überdrehtem Riff-Feuerwerk rocken können.
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Die transparente, topmoderne Produktion (erneut von Andy Sneap, diesmal ohne Tom Allom) ballert und drückt, so auch im anklagenden Galopper ‘The Serpent And The King’, der nicht zuletzt durch Rob Halfords hohes Kreischen auffällt. Überraschende Ausrufezeichen setzen ‘Gates Of Hell’ mit seinem belebten, geradezu schillernden Refrain und die Power-Ballade ‘Crown Of Horns’ (die ihr auch auf der diesem Heft beiliegenden, weltexklusiven 7“-Vinyl-Single hört), die irgendwo zwischen ‘Night Comes Down’, ‘Diamonds And Rust’ und ‘(Take These) Chains’ eine ganz eigene Tonalität findet und spätestens im gefühligen wie mächtigen Zwischenteil dahinschmelzen lässt.
Ihre düstere Seite zeigen die NWOBHM-Pioniere unter anderem in ‘Escape From Reality’: Die Doom-Hymne ist der Gegenangriff auf alle ‘Lochness’-Schmähungen und verneigt sich so tief vor Black Sabbath, dass man meint, Ozzy Osbourne selbst in der psychedelischen dritten Strophe singen zu hören. Ein fantastisch gelungener stilistischer Ausbruch! Keiner der Songs kommt ohne mindestens einen Gänsehautmoment aus – dank so kraft- wie gefühlvoller Gitarren und eines zu jeder Sekunde begeisternden Rob Halford. Judas Priest mögen mit dem erkrankten Glenn Tipton angeschlagen sein; doch angezählt sind sie längst nicht, sondern stehen im 55. Karrierejahr aufrecht, stark und unbesiegbar.
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Quelle: METAL HAMMER.de