Kritik zu The Haunted SONGS OF LAST RESORT

Was erwarten wir von einer Band, die fast 30 Jahre im Metal-Business tätig ist und ihr zehntes Album veröffentlicht? Insgeheim hoffen wir, dass das Album zumindest den Standard der letzten Veröffentlichung hält. Bei The Haunted aus Göteborg braucht man sich diese Sorgen nicht zu machen. Ignoriert das letzte Album STRENGTH IN NUMBERS (2017), das sicher ein paar Höhepunkte mit sich brachte; verdrängt auch die letzten acht Jahre, in denen die Pioniere des deathig angehauchten Thrash Metal fast in Vergessenheit gerieten: Mit SONGS OF LAST RESORT legen sie eine Rückkehr hin, die einem Blitzkrieg gleichkommt. Die Kampfformation Ola Englund (Gitarre), Jonas Björler (Bass), Adrian Erlandsson (Schlagzeug), Jensen (Gitarre) und Marco Aro (Gesang) brechen mit dem Opener (und erster Single) ‘Warhead’ gleich durch, und ohne Atempause geht es mit ‘In Fire Reborn’ und ‘Death To The Crown’ rasant weiter.

Hier ein wenig melodischer Death Metal, dort ein paar gute Ideen alter Göteborger Schule – die The Haunted-Maschinerie ist frisch geölt und läuft in Perfektion. Prägend ist der angefressene Gesangsstil von Marco Aro, der schon immer für seinen gewaltigen vokalartistischen Einsatz bekannt ist, aber bei Uptempo-Krachern wie ‘Unbound’ klingt er wie ein tollwütiger Mastino, bereit zum tödlichen Biss. Hinzu kommen Gitarren-Riffs aus den Sechssaitigen von Jensen und Ola Englund, die glasklar und schnittig klingen und richtig die Rübe rasieren. Englund selbst ist ja schon ein Star, immerhin hat der Gitarren-Influencer mittlerweile mehr Follower als alle Bands, in denen er je gespielt hat, gemeinsam.

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Dennoch, team work makes the dream work, und genauso dienlich reiht er sich in die Mannschaft ein. Adrian Erlandsson trommelt vor allem bei den schnellen Thrash-Granaten wie ‘Through The Fire’ präzise wie ein Uhrwerk, und die Basslinien von At The Gates-Urgestein Jonas Björler sind die alles abrundende Komponente. Selbst bei gemäßigteren Stücken wie ‘Labyrinth Of Lies’, ‘Letters Of Last Resort’ oder ‘Collateral Carnage’, bei denen mit schönen, selbstverliebten Gitarrensoli mal durchgeschnauft werden kann, fällt das Aggressionspotenzial nicht ab – auch das muss man erst mal hinkriegen. Die fehlenden Sahnehäubchen hat dem Sound Jens Bogren (Kreator, Arch Enemy, Amon Amarth), der Chef an den Reglern, in seinem Fascination Street-Studio im Mix und beim Mastering aufgesetzt und SONGS OF LAST RESORT zu einer unwiderstehlichen Rezeptur verholfen.

Während altgediente Helden wie Machine Head mit neuen Alben ihr eigenes Vermächtnis infrage stellen oder über Slayer trotz neuer Shows nur noch in der Vergangenheitsform gesprochen wird, mischen The Haunted für genau jene Fans die Szene auf. Die Schweden blicken nicht zurück. Mutig, erfrischend, knallhart und extrem wütend mähen sie gnadenlos die Konkurrenz nieder und nehmen sich, was ihnen zusteht: den Soundcheck-Sieg! Ein Album (fast) ohne nennenswerte Makel; das schwächste Element ist der Titel SONGS OF LAST RESORT. Er klingt für mich ein bisschen final und erinnert leider an Papa Roach. Aber Schwamm drüber. Ich ziehe meinen Hut und schüttle mein noch vorhandenes Haupthaar. Kaufbefehl!

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Quelle: METAL HAMMER.de