Orphaned Land: Himmel und Hölle

Das komplette Interview mit Kobi Farhi von Orphaned Land findet ihr in der METAL HAMMER-Januarausgabe 2023, erhältlich am Kiosk oder indem ihr das Heft bequem nach Hause bestellt. Noch einfacher und günstiger geht’s im Abo!

METAL HAMMER: Welche Momente sind dir am lebhaftesten in Erinnerung, welche Höhe- und Tiefpunkte kommen dir in den Sinn?

Kobi Farhi: Großartig war die Zeit nach dem Erscheinen von MABOOL (2004 – Anm.d.A.), als wir durch die ganze Welt tourten. Davor hatten wir nur in Israel und der Türkei gespielt. Apropos: Jedes Orphaned Land-Konzert in der Türkei war ein Höhepunkt – das ist ein muslimisches Land, und wir sind Juden aus Israel. Wann immer wir dort spielten, kamen Fans aus dem ganzen Nahen Osten, die aus politischen Gründen nicht nach Israel reisen konnten; Menschen aus Syrien, Ägypten, Iran, Saudi-Arabien.

Es gab Momente, in denen wir vor Arabern und Muslimen auf der Bühne standen und es zwei Stunden lang keine Kriege auf der Welt gab – wir koexistierten als eine große Familie. Das waren nicht nur die besten Momente unserer Karriere, sondern vielleicht sogar die besten unseres Lebens. Wir sahen, dass das, woran wir glauben, möglich sein könnte und keine Utopie war. Solche Momente gibt es auch in Berlin, Paris und überall, wo wir auftreten – Orphaned Land-Fans aller Art feiern zusammen, Schwule, Lesben, Religiöse, Atheisten, Muslime, Juden, Christen; einfach Menschen. Das ist überall so, doch in Istanbul fühlt es sich besonders intensiv an.

Nichts ist unmöglich

MH: Du sprachst von unerfüllten Träumen – welche sind das?

KF: Frieden im Nahen Osten, die friedliche Koexistenz von Israel, Palästina und der arabischen Welt. Dann können wir auch in diesen Ländern spielen. In die Türkei können nur Fans aus diesen Ländern reisen, die es sich leisten können. Wir haben Konzerte in mehr als 50 Ländern auf der ganzen Welt gegeben, in China, Japan, Australien und Südamerika – aber nicht in unseren Nachbarländern. Wir singen in Sydney über die Situation im Nahen Osten, aber nicht in Kairo, Damaskus oder Beirut. Das zu erreichen, ist unser größter Traum, doch aktuell sind wir weit davon entfernt; es scheint unmöglich. Allerdings habe ich in meinem Leben gelernt, dass nichts unmöglich ist. Daher behalte ich in diesen dunklen Tagen meinen Glauben daran. Ich erreiche bald meine Fünfziger, wir müssen uns also beeilen.

MH: Es wirkt ziemlich zynisch, dass A HEAVEN YOU MAY CREATE von Orphaned Land ausgerechnet jetzt erscheint. Wie hast du persönlich von den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober erfahren?

KF: Es war 6:30 Uhr morgens, ich putzte gerade meine Zähne. Als Vater von zwei Kindern stehe ich früh auf. Da hörte ich die Sirene. Da Samstag war, konnte es keine Übung sein. Ich dachte an Fehlalarm, doch dann hörte ich den ersten Knall und wusste, dass etwas passiert. Im Lauf der nächsten Stunde rannten wir drei Mal mit unseren Kindern in einen Sicherheitsbereich. Offenbar flogen auch Raketen nach Israel. Im Lauf der folgenden Stunden eruierten wir die Ausmaße der Katastrophe und was genau passiert war.

„Die Taten waren barbarisch!“

Seit jenem Tag sind wir nicht mehr dieselben. Die Juden haben eine lange Verfolgungsgeschichte hinter sich, sie wurden gejagt, gedemütigt und ermordet. Wir waren uns sicher, dass so etwas nie wieder passieren würde. Ich weiß nicht, wo es enden würde, wenn wir keine Armee hätten – bei einer halben Million toter Juden? Ich weiß es wirklich nicht. Der Hass scheint sehr groß zu sein, die Taten waren barbarisch! Da haben keine Soldaten andere Soldaten angegriffen.

Auch das unterstütze ich nicht, doch hier haben Bewaffnete alte Menschen, Babys, Kinder und Familien getötet, misshandelt, vergewaltigt, verbrannt, und manchen sogar die Augen ausgestochen! Ich hörte von einem Augenzeugen, dass einer Schwangeren der Bauch aufgeschlitzt und das Ungeborene erschossen wurde. Es gibt viele Videos der Taten, doch Israel verwendet diese nicht öffentlich – im Gegensatz zur Hamas, die Videos von verletzten und toten Unschuldigen verbreitet. Um diese Menschen tut es mir sehr leid, keine Frage. Wir verbreiten solche Videos nicht, da wir die Toten und ihre Familien respektieren. Es gibt noch immer nicht identifizierbare Leichen. Einige unserer Fans wurden ermordet.

„Das ist eine furchtbare Situation.“

Eine Schülerin unseres Gitarristen war 25 Tage lang verschwunden, dann identifizierten sie ihre komplett verbrannte Leiche. 240 Leute wurden entführt – darunter Babys und alte Leute! Warum entführt man Großmütter? Wie sollte Israels Reaktion nach all dem ausfallen? Das ist eine furchtbare Situation, die umso schlimmer für die Palästinenser wird, da Israel die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen wird. Das sind barbarische Kreaturen: Sie verstecken sich unter Krankenhäusern und feuern ihre Raketen aus Wohngebieten ab, sodass man beim Zurückschlagen Zivilisten umbringt. Ich hasse es, dass Zivilisten sterben müssen, der Gedanke daran zerstört meine Seele. Ich weiß aber nicht, wie man diese Barbaren sonst ausmerzt.

Sie kennen keine rote Linie. Wie geht man damit um? In jedem Krieg sterben Zivilisten, und dieser Krieg wird lang und desaströs. Es bricht mir das Herz. Meine Frau weint jeden Tag. Besonders frustrierend finde ich auch, dass überall auf der Welt der Antisemitismus wieder erstarkt. In Australien wurde auf einer propalästinischen Demonstration „Vergast die Juden!“ gerufen, in Paris werden Davidsterne an die Häuser von Juden gesprüht, es ist wie 1939. Juden in ganz Europa haben Angst, auf die Straße zu gehen. Das ist doch nicht fair: Hat jemand infolge des Kriegs von Russland gegen die Ukraine die Häuser von Russen markiert oder ihnen den Zutritt verboten?

Frustrierend

Als Jude ist es sehr frustrierend zu sehen, wie sehr man noch immer gehasst wird. Es ist furchtbar, dass Antisemitismus weiterhin so tief in Köpfen und Herzen verankert ist. Ich will uns nicht als Opfer hinstellen – die echten Opfer sind die Opfer dieses Kriegs. Dennoch wollen wir im Januar auf Tour gehen. Unsere Frauen und Eltern sorgen sich darum, dass wir unterwegs angegriffen werden könnten. Wir wollen spielen, doch ich weiß nicht, ob wir das durchziehen können.

Leider ließ sich das nicht umsetzen, die Tourneepläne von Orphaned Land mussten gecancelt werden. Wie sehr Farhis Einsatz für Frieden, Liebe und Einigkeit umzusetzen ist und was ihn in diesen Tagen zuversichtlich stimmt,  lest ihr in der METAL HAMMER-Januarausgabe 2023, erhältlich am Kiosk oder indem ihr das Heft bequem nach Hause bestellt. Noch einfacher und günstiger geht’s im Abo!

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Quelle: METAL HAMMER.de